Ein Waschbär sitzt im Baum. Tierische Aufregung im Wohnhof an der Dankwartstraße
Am 28. Dezember, kurz vor dem Jahreswechsel. Gegen 9 Uhr klingelt eine Nachbarin. „In unserem Baum neben dem Müllhaus sitzt ein Waschbär und kommt nicht mehr runter. Was können wir tun?“
Ich schaue jetzt aus meinem Schlafzimmerfenster. In rund acht Metern Höhe sitzt ein Waschbär, im Umfeld des pelzigen Raubtiers lauern schon die Krähen. Der Waschbär, ein gut genährtes Exemplar, fühlt sich sichtlich nicht wohl in der Nähe der Krähenschnäbel, aus denen schrille Schreie dringen. Ich, bis 2020 rund 30 Jahre Kiezreporter bei der BERLINER WOCHE und ausgebildeter Fotograf, habe immer eine Tasche mit der Kamera parat. Teleobjektiv rein, nun erscheint der vielleicht vier Meter entfernte Waschbär formatfüllend im Sucher. Ich mache ein paar Aufnahmen, dann kommt mir eine Idee. Ich rufe Derk Ehlert, den Wildtierexperten des Berliner Senats an, den ich aus meiner Zeit als Reporter kenne. Ehlert ist gleich dran und beruhigt mich. „Der Waschbär macht jetzt eine erste schlechte Erfahrung in seinem Leben. Wenn die Krähen gegen Abend verschwinden, kommt er von allein vom Baum“, erzählt er. Der Experte vermutet, dass das Erscheinen des Waschbären etwas mit dem Brand am nahen Netto-Markt an der Siegfriedstraße am Tag zuvor zu tun haben könnte. „Vermutlich haben ihn Rauch und Gestank aus seinem Winterquartier vertrieben“, so Ehlert.
In den nächsten Stunden versucht der Waschbär, es sich in der Astgabel irgendwie gemütlich zu machen. Krähen und Raubtier lassen sich aber nicht aus den Augen. Mit dem Einbruch der Dunkelheit ziehen die Krähen dann ab. Und gegen 17.15 Uhr schleicht der Waschbär vom Baum. Auf dem Boden verschnauft er vielleicht zwei Minuten, dann trollt er sich. Ich erwische ihn grade noch im Taschenlampenlicht mit der Kamera.
Mehrere Mieter haben an diesem Tag in der Verwaltung der Genossenschaft angerufen. Die naturgemäß weder zuständig ist, noch etwas tun kann. Auch Feuerwehr oder Technisches Hilfswerk holen keine Waschbären vom Baum, und das Gewehr des Jägers hat im Wohngebiet Hausverbot. Anwohner sollten aber mindestens zwei Dinge beherzigen. Im Winter keine Kellerfenster offen lassen und kein Futter ausstreuen, welches Waschbären anlocken könnte.
Text und Fotos: Ralf Drescher, Dankwartstraße